Eine axiomatische Theorie ist eine
Menge wahrer Aussagen, die aus gewissen Axiomen
mit ausschließlich logischen Mitteln gefolgert
wurden; genauer gesagt: eine Aussage ist genau dann »wahr«,
wenn sie:
- ein Axiom ist, oder
- aus anderen wahren Aussagen nach gewissen
Schluss- oder Deduktionsregeln abgeleitet werden
kann.
Wahre Aussagen heißen Sätze
der Theorie; will man einen Satz hervorheben, so nennt
man ihn auch Theorem. Handelt es sich
dabei um einen Hilfssatz im Rahmen einer Beweisführung,
spricht man von einem Lemma.
Ein Korollar
ist eine Sammlung von Aussagen/Sätzen, die direkt aus
einem anderen Satz folgen, wobei die Folgerung meist
trivial ist. Die Ableitungen nennt man Beweise.
In der Praxis spielen noch Definitionen
eine Rolle, sie gehören aber zum Handwerkszeug der Logik,
das vorausgesetzt wird. (So kommt z.B. der Lambda-Kalkül
ohne Definitionen aus, während natürlich jede funktionale
Programmiersprache dafür Sprachmittel
bereitstellen muss; entsprechendes gilt auch für
Beweissysteme u.ä.)
Im Laufe der historischen Entwicklung hat sich an
diesen Begriffen nichts geändert, es ist allerdings
zu einer zunehmenden Präzisierung gekommen, die ihren
Niederschlag in dem großen und wachsenden Feld der
mathematischen Logik gefunden hat.
Ein Charakteristikum der
Mathematik ist ihr großer Zusammenhalt, der sich in
engen und häufig auch überraschenden
Querverbindungen zwischen ihren Teilen zeigt, und der
jeder Einteilung der Mathematik bald eine Grenze
setzt. Das folgende orientiert sich im groben Zügen
an Bourbakis Éléments de Mathématique.
Die Mathematik hat natürlich immer der Logik bedurft,
doch dauerte es sehr lange, bis sie selbst sich mit
ihren Grundlagen befasste.
Es war die Mengenlehre, die dies
änderte. Diese hatte sich aus der Beschäftigung mit
der Topologie
entwickelt, genauer mit den »Paradoxien des Unendlichen«
(Bernard
Bolzano), wie man sie im Umgang mit den reellen
Zahlen erlebte. Als man mit der Mengenlehre
die unendlichen Mengen gemeistert hatte, war dies
zugleich die Geburtsstunde einer neuen Mathematik, die
sich von der Herrschaft der Zahlen und geometrischen
Gebilde emanzipiert hatte. Aus dem »Paradies der
Mengenlehre« (David
Hilbert) wollte man sich nicht mehr vertreiben
lassen.
Als sich die »naive« Mengenlehre als unhaltbar
erwies, gewann plötzlich das Gebiet der mathematischen
Logik jenes Interesse, das ihm von Leibniz
bis Frege
versagt geblieben war, und blühte rasch auf. Dabei
dient die Formalisierung der Logik
dem Ziel, die einzelnen Beweisschritte zu isolieren
und Beweise
vollständig als Folgen elementarer Operationen
darstellen zu können, um diese dann mit
mathematischen (z.B. arithmetischen)
Mitteln (Gödel)
zu untersuchen. Bei der Untersuchung axiomatischer
Theorien interessiert man sich für deren
widerspruchsfreien Aufbau und ihr Verhältnis
zueinander.
Inzwischen haben sich vielfältige Teilgebiete und
Anwendungen in und außerhalb der Mathematik
herausgebildet, u.a. gehören dazu in der Informatik
auch Beweissysteme.
Die Mengenlehre findet heute Ergänzung als lingua
franca der Mathematik in der Kategorientheorie,
die sich in den vierziger Jahren aus der algebraischen
Topologie entwickelte.
In der modernen Algebra, wie sie seit den 1920er
Jahren gelehrt wird, entwickelt man ausgehend von
einer Menge mit nur einer »inneren Operation« (Gruppoid
oder Magma genannt) nacheinander die algebraischen
Grundstrukturen der Monoide,
Gruppen,
Ringe
und Körper,
die allgegenwärtig sind, unter anderem, weil die
verschiedenen Zahlmengen solche Strukturen aufweisen.
Eng verbunden sind damit Polynome
und Moduln/Ideale.
Die Lineare
Algebra hat Moduln
als Gegenstand. Im einfachsten Fall sind dies Vektorräume,
d.h. Moduln über Körpern, meistens R
oder C.
Dies sind die Räume der klassischen Geometrie
und Analysis.
Aber es gibt auch wesentlich kompliziertere
Situationen. Die multilineare
Algebra dehnt die Untersuchung auf das Tensorprodukt
und verwandte Erscheinungen aus. Ein enger
Zusammenhang besteht zur Ringtheorie
und Homologischen
Algebra; eine klassische Fragestellung ist die Invariantentheorie.
Die Galoistheorie
ist einer der Höhepunkte der Mathematik im 19.
Jahrhundert und Anfang der Körpertheorie.
Ausgehend von der Frage nach der Lösbarkeit von algebraischen
Gleichungen untersucht sie Körperweiterungen (und
erfindet dabei die Gruppentheorie).
- Weitere Gebiete: Gruppentheorie,
Kommutative
Algebra
Die Topologie ist ein großes und grundlegendes
Gebiet, mit vielen Anwendungen. Anstöße kamen aus
der Analysis (Reelle Zahlen), der frühen
Algebraischen Topologie, der Funktionentheorie (Riemannsche
Flächen).
Zunächst werden die Kategorie der topologischen
Räume und Verfahren zu ihrer Konstruktion
eingeführt. Die eng verbundenen Grundbegriffe sind »Zusammenhang«,
»Stetigkeit« und »Grenzwert«. Weitere wichtige
Themen sind »Trennungseigenschaften« und »Kompaktheit«.
Uniforme
Räume haben eine Topologie, die (in
Verallgemeinerung metrischer Räume) über eine Art
von Abstand definiert ist. Hier kann man Cauchy-Filter
definieren und damit den Begriff der Vollständigkeit
und die Methode der Vervollständigung eines
topologischen Raumes.
Topologische
Gruppen, Ringe und Körper sind die entsprechenden
algebraischen Objekte (sh. oben), die zusätzlich mit
einer Topologie versehen sind, bezüglich derer die
Verknüpfungen (d.h. bei Ringen und Körpern Addition
und Multiplikation) stetig sind. Ein historisch und
praktisch wichtiges Beispiel sind die reellen
Zahlen: sie werden durch Vervollständigung der
rationalen Zahlen Q bezüglich der
Topologie, die vom Standardbetrag herkommt,
konstruiert. Man kann jedoch auch für eine fest gewählte
Primzahl p den sogenannten p-adischen Betrag einführen,
dann ergibt sich als Vervollständigung der Körper
der p-adischen Zahlen Q_p.
Für diesen interessiert sich beispielsweise die Zahlentheorie.
Metrische
Räume sind uniforme Räume, deren Topologie von
einer Metrik abgeleitet ist und damit besonders übersichtlich
und auch anschaulich. Daneben kennt man viele andere
Klassen von Räumen.
Für Anwendungen in Analysis und Funktionalanalysis
sind topologische
Vektorräume grundlegend. Besonders interessant
sind lokalkonvexe
Räume (und ihre Dualräume), für die es eine schöne
Theorie mit wichtigen Resultaten gibt.
- Weitere Gebiete: Algebraische
Topologie
Die Analysis untersucht differenzierbare Abbildungen
zwischen topologischen Räumen, von den Zahlkörpern R
und C bis zu Mannigfaltigkeiten und
Hilbert-Räumen (und darüber hinaus). Sie war schon
die Mathematik der Naturwissenschaften des 17. und 18.
Jahrhunderts und ist es immer noch.
Drei Phänomene stehen untrennbar im Mittelpunkt
der Differentialrechnung:
Die Ableitung,
die eine Abbildung
»im Kleinen« beschreibt, die Differentialgleichung,
die in etwa dasselbe mit der Bewegung im Großen tut,
und das Integral,
das zwischen beiden vermittelt. Die algebraisch
definierten rationalen
Funktionen werden um die Exponentialfunktion
und ihre Verwandten und viele andere, durch
Differentialgleichungen und Potenzreihen
gegebene spezielle
Funktionen ergänzt.
Betrachtet man Funktionen, die den komplexen Zahlkörper
in sich abbilden, so drängt sich die Forderung nach komplexer
Differenzierbarkeit auf, die weitreichende Folgen
hat. Solche Funktionen sind immer analytisch,
d.h. im kleinen durch Potenzreihen
darstellbar. Ihre Untersuchung heißt Funktionentheorie,
sie gehört zu den großen Leistungen des 19.
Jahrhunderts.
Wie man die Erdoberfläche stückweise, oder wie
man sagt, »lokal« oder »im kleinen« durch ebene
Karten darstellen kann, definiert man Mannigfaltigkeiten
als Hausdorff-Räume
zusammen mit einen Atlas aus kompatiblen
Karten, die eine Umgebung eines jeden Punktes in einen
gewissen Modellraum abbilden. Mit einigen zusätzlichen
Annahmen hinsichtlich der Karten kann man »Analysis
auf Mannigfaltigkeiten« betreiben. Heute liegt der Cartansche
Differentialformenkalkül
der Übertragung analytische Begriffe auf
Mannigfaltigkeiten zugrunde; dabei kommt es darauf an,
die neuen Begriffe »intrinsisch«, das heißt unabhängig
davon zu definieren, welche konkrete Karten man zu
ihrer Realisation benutzt. Für einen Großteil der
Begriffe kann man das, wenngleich es nicht immer
einfach ist und zu einer Reihe neuer Begriffsbildungen
führt. Als ein Beispiel sei der Satz
von Stokes genannt, der den Fundamentalsatz
der Analysis (Satz von Barrow)
verallgemeinert. Eine wichtige Rolle spielt diese
Theorie in anderem Gewande, als Vektoranalysis
und Ricci-Kalkül
in der Physik. Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
sind auch Gegenstand der algebraischen Topologie (vgl.
de-Rham-Cohomologie
und Differentialtopologie);
mit zusätzlichen Strukturen sind Riemannsche
Mannigfaltigkeiten Thema der Differentialgeometrie.
Aus der uralten Frage nach Maß und Gewicht erwuchs
erst Anfang des 20. Jahrhunderts unter Aufnahme
topologischer Begriffe die Maßtheorie,
die dem gegenwärtigen, sehr leistungsfähigen
Integralbegriff und seinen Anwendungen zugrunde liegt,
aber auch der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Ungefähr zur selben Zeit entwickelte sich aus dem
Studium von Integral- und Differentialgleichungen die Funktionalanalysis
als das Studium von Funktionenräumen und von deren
Abbildungen Operatoren.
Die ersten Beispiele solcher Räume waren die Hilbert-
und Banachräume.
Sie erwiesen sich als der Untersuchung mit
algebraischen wie topologischen Instrumenten zugänglich,
und eine umfangreiche Theorie nahm hier ihren
Ursprung.
- Weitere Gebiete: gewöhnliche
Differentialgleichungen, partielle
Differentialgleichungen, Lie-Gruppen
Ein aus dem Studium der Kegelschnitte
entstandenes und noch sehr aktives Gebiet mit engsten
Beziehungen zur kommutativen Algebra und Zahlentheorie
ist die algebraische Geometrie. Gegenstand der älteren
Theorie sind bis etwa 1950
algebraische
Varietäten, d.h. Nullstellenmengen
algebraischer Gleichungen im projektiven (komplexen)
Raum, inzwischen fand eine starke Verallgemeinerung
der Fragestellungen und Methoden statt.
Historisch Die euklidische
Geometrie war das erste Beispiel einer
axiomatischen Theorie, wenn es auch bis Hilbert
dauern sollte, um diese Axiomatisierung abzuschließen.
Nachdem Descartes
das Programm aufgestellt hatte, ihre Probleme zu
algebraisieren, fand sie neues Interesse und
entwickelte sich zur algebraischen Geometrie. Im 19.
Jahrhundert wurden nichteuklidische und
Differentialgeometrie entwickelt. Ein Großteil der
alten Geometrie wurde zur Algebra oder Topologie.
Die Gruppentheorie, als mathematische Disziplin im 19.
Jahrhundert entstanden, ist ein Wegbereiter der
modernen Mathematik, da sie eine Entkoppelung der Repräsentation
(z. B. die reellen Zahlen) von der inneren Struktur
darstellt (Gesetze für Gruppen).
Lie-Gruppen beschreiben die typischen Symmetrien in
der Geometrie und der Physik. Im Gegensatz zu
"nackten" Gruppen tragen sie eine topologische
Struktur (genauer: sie sind eine Mannigfaltigkeit)
und ermöglichen es kontinuierliche Transformationen
zu beschreiben, z.B. bilden die Rotationen oder die
Translationen eine solche Gruppe.
Die numerische Mathematik konstruiert und
analysiert Algorithmen
zur Lösung von kontinuierlichen Problemen der
Mathematik. Waren die Algorithmen usprünglich zur
Rechnung per Hand gedacht, so wird heutzutage der Computer
eingesetzt. Wichtige Hilfsmittel sind dabei Approximationstheorie,
Lineare
Algebra und Funktionalanalysis.
Es spielen vor allem Fragen der Effizienz und
Genauigkeit eine Rolle, ferner müssen die
auftretenden Fehler bei der Rechnung berücksichtigt
werden.
Die Philosophie
der Mathematik wiederum hinterfragt die
axiomatischen Systeme.
In Anfängen in der Antike vorhanden, hat sich dieses
Gebiet zunächst und lange Zeit aus der Versicherungsmathematik,
v.a. auch dem Spezialfall der Theorie des Glücksspiels
gespeist. Man unterscheidet:
- Wahrscheinlichkeitstheorie
i.e.S. (Stochastik)
als Theorie stochastischer Experimente. Ziel ist
es, zu einem gegebenen Experiment die Verteilung
der Zufallsvariablen zu bestimmen.
- darauf aufbauend die mathematische
Statistik, die, bei unvollkommener Kenntnis
des Experimentes, aus gewissen Ergebnissen (einer
Stichprobe) auf die zugrundeliegende Verteilung
schließen will. Zwei Fragen stehen im
Mittelpunkt:
- Bestimmung von Parametern (Schätztheorie)
- Klassifikation von Fällen
(Entscheidungstheorie)
- Dabei werden diese Aufgaben als
Optimierungsprobleme gestellt, was für die
Statistik charakteristisch ist.
Die moderne Theorie ist seit den Arbeiten von Kolmogoroff
eine wichtige Anwendung der Maßtheorie.
- Weitere Gebiete: Ergodentheorie,
statistische
Mechanik, Informationstheorie,
Operations
Research
Ein altes, schon in der Antike
blühendes Fach, dessen Ausgangspunkt die überraschenden
Eigenschaften der natürlichen
Zahlen bilden (auch Arithmetik
genannt). Gefragt wird zunächst nach Teilbarkeit
und Primalität.
Auch viele mathematische
Spiele gehören hierher. Viele Sätze der
Zahlentheorie sind einfach zu formulieren, aber schwer
zu beweisen.
In der Neuzeit
findet die Zahlentheorie zuerst bei Fermat
erneutes und zugleich zukunftsweisendes Interesse. Gauß'
Disquisitiones Arithmeticae bilden 1801
einen Höhepunkt und regen eine intensive Forschung
an. Heute haben sich, entsprechend den benutzten
Mitteln, zur elementaren
die analytische,
algebraische
und geometrische
Zahlentheorie gesellt. Lange galt die Zahlentheorie
als (praktisch) absolut nutzlos, bis sie mit der
Entwicklung der asymmetrischen
Kryptographie
plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses rückte.